Schüchternheit, soziale Ängste, soziale Phobie - Selbsthilfegruppe in Kassel

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1. Theorie und Einstiegsübungen

  1. Wie erkennt man selbstsicheres, sozial kompetentes Verhalten
  2. Vergleich der Verhaltensstile
  3. Unterscheidungsübung
  4. Einstiegsübungen zum Alleine-Üben

1. Wie erkennt man selbstsicheres, sozial kompetentes Verhalten

Selbstsicherheit ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Kompetenzen:

  • Mut haben, in neue Situationen hineinzugehen und Herausforderungen anzunehmen
  • Sich Fehler erlauben können
  • Entscheidungen treffen
  • Sich öffentlicher Beachtung aussetzen
  • Auf andere zugehen, Kontakte knüpfen
  • Bitten äußern
  • Die eigene Meinung sagen, sich Gehör verschaffen, widersprechen
  • Informationen einholen
  • Forderungen stellen und durchsetzen
  • Unangemessene Forderungen bzw. unberechtigte Kritik zurückweisen
  • Sich angemessen abgrenzen, Nein-sagen, wenn man nein meint
  • Gefühle offen ausdrücken
  • Wünsche und Bedürfnisse äußern
  • Interessen anderer berücksichtigen, Kompromisse schließen
  • Lob und Kritik aussprechen und annehmen

2. Vergleich der Verhaltensstile

Merkmale

(unsicher)-
passives Verhalten

Selbstsicheres Verhalten

(unsicher)-aggressives Verhalten

Das Prinzip

Ich sollte niemanden zur Last fallen, außer mir selbst.

Ich trage Verantwortung dafür, meine eigenen Rechte zu schützen.
Ich respektiere andere, wenn auch nicht unbedingt ihr Verhalten.

Ich muss andere unterdrücken, um mich selbst zu schützen.

Merkmale

Ich erlaube den anderen, für mich die Wahl zu treffen.

Ich wähle für mich selbst.

Ich wähle für andere.

Ich verstecke meine Gefühle.

Ich finde das richtige Maß an Offenheit.

Ich bin unangemessen offen (taktlos).

Ich bin gehemmt.

Ich bin direkt.

Ich bin abfällig.

Ich verleugne mich selbst.

Ich habe Achtung vor mir selbst.

Ich sehe mich größer, als ich bin.

Ich drücke meine Interessen und Wünsche nicht aus.

Ich drücke meine Interessen und Wünsche offen aus.

Ich drücke meine Interessen und Wünsche aus.

Ich verliere meistens. Wenn ich mit meinen Vorstellungen durchkomme, dann nur indirekt.

Ich kann viele Situationen zu meinem Gunsten beeinflussen.

Ich gewinne in den meisten Situationen.

Eigene Gefühle

Ich fühle mich
ängstlich, hilflos, manipuliert, unbeachtet.
Ich ärgere mich über mich.
Ich ärgere mich über andere.

Ich bin zuversichtlich und zielorientiert.
Ich habe Achtung vor mir selbst.
Ich fühle mich geschätzt und erfüllt.

Ich fühle mich den anderen überlegen.
Ich bin gerecht, beherrschend und geringschätzig.
Manchmal habe ich schlechtes Gewissen deswegen.

Gefühle der anderen im Kontakt mit mir

Sie fühlen sich schuldig mir gegenüber.
Sie fühlen sich mir überlegen.
Sie sind frustriert.

Sie fühlen sich geschätzt und geachtet, wenn sie mit mir zu tun haben.

Sie fühlen sich gedemütigt, wenn sie mit mir zu tun haben. Sie sind verärgert und verletzt.
Sie sind defensiv.

Meinung der Anderen über mich

Sie respektieren mich nicht.
Sie mißtrauen mir.
Sie denken, dass ich keinen eigenen Standpunkt habe und dass man mich leicht zur Seite schieben kann.
Sie wissen nicht, woran sie bei mir sind.

Sie respektieren mich.
Sie vertrauen mir.
Sie wissen, dass ich einen eigenen Standpunkt habe.
Sie wissen, woran sie bei mir sind.

Sie mißtrauen mir.
Sie sind verärgert.
Sie fürchten sich vor mir.
Ich bin ihnen unsympathisch.
Sie haben Rachegelüste.

Was bringt es wem

Andere erreichen ihre Ziele auf meine Kosten.
Meine Rechte werden verletzt.

Das Ergebnis wird durch offene Verhandlung bestimmt.
Die Rechte aller Beteiligten werden respektiert.

Ich erreiche mein Ziel auf Kosten anderer.

 

Stimme

Leise, zaghaft, zögernd, stotternd

Angemessen laut, klar, deutlich

Laut, brüllend, scharf, erregt

Satzinhalt

- Umständliche und Überflüssige Erklärungen.
- Vorschieben unzutreffenden Begründungen.
- Verleugnen eigener Bedürfnisse.
- Verstecktes oder abgeschwächtes Ausdrücken von Gefühlen.
- Benutzung von „man“.
- Unentschlossenheit und Passivität.

- Eindeutige Formulierung
- Kurze, klare Sätze
- Präzise Begründungen
- konkrete Vorschläge
- Ausdrücken eigener Bedürfnisse
- offenes Ausdrücken der Gefühle
- Benutzung von „ich“

- Schuldzuweisungen
- Keine Erklärungen und Begründungen
- Drohung, Beleidigung
- Verletzend, abwertend
- Rechte anderer ignorieren
- Kompromisslosigkeit
- Benutzung von „du“

Gestik

Kaum vorhanden oder verkrampft. Unruhige Hände.

Unterstreichend, ruhig, offen.

Wild, unkontrolliert, abwehrend.

Mimik und Blickkontakt

Kaum Blickkontakt, Blick gesenkt oder ausweichend. Unruhige Augenbewegungen. Angespannte Gesichtszüge.

Direkter Blickkontakt. Entspannte Gesichtszüge. Lächeln.

Kaum Blickkontakt oder Anstarren. Angespannte Gesichtszüge. Harter Gesichtsausdruck.

Körperhaltung

Unruhige Bewegungen, verkrampft, starr, dem gegenüber abgewandt, abweisend.

Entspannt, offene Körperhaltung, zugewandt.

Angespannt, nach vorne geneigt.

3. Unterscheidungsübung

Übung zur Unterscheidung von selbstsicherem und aggressivem Verhalten. Im folgenden finden Sie 20 Situationsschilderungen. Die Aufgabe ist es, beim Lesen zu unterscheiden, ob es sich um selbstsichere, aggressive oder unsichere Antworten handelt.

Nr. Situation Reaktion
1 An der Tankstelle, an der Sie häufig tanken, hat einer der Tankwarte vergessen, die Verschlusskappe wieder auf Ihren Tank zu schrauben. Sie bemerken das, fahren zurück und forschen nach, indem Sie sagen: Einer von Euch Jungs hat doch glatt vergessen, die Verschlusskappe wieder auf meinen Tank zu schrauben. Ich möchte das sofort geändert haben. Falls Sie sie nicht wieder finden, hat einer von Ihnen sie mir zu ersetzen.
2 Eine Ehefrau sagt zu ihrem Mann, dass sie gerne ihre Berufsausbildung beenden möchte. Er ist aber gar nicht dafür, dass sie weiterstudiert o.Ä., und sagt: Warum willst Du denn das alles tun? Du weißt doch, dass Du gar nicht fähig bist, diese Extrabelastung noch zu verkraften.
3 Sie tun sich ziemlich schwer damit, einen Be­richt zu schreiben und wissen nicht genau, wel­che weiteren Informationen Sie dafür noch brau­chen und wo Sie sie einholen sollen. Sie sagen zu sich selbst: Ich bin doch einfach blöd; ich weiß über­haupt nicht, wo ich anfangen soll, wie ich weitermachen soll mit diesem Bericht.
4 Ihre Zimmernachbarin geht gerade weg zur Arbeit und sagt Ihnen im Weggehen, dass sie einem Freund versprochen hat, dass Sie ihn heute Abend mit Ihrem Auto abholen werden. Darauf sagen Sie: Du hast vielleicht Nerven, mich einfach fest­zunageln, ohne mich vorher zu fragen. Das gibt´s überhaupt nicht. Ich fahre heute nicht zum Flughafen. Lass ihn ein Taxi nehmen, wie jeder andere das auch macht.
5 Sie sind auf einer Ausschusssitzung mit sieben Männern und einer Frau. Zu Beginn der Sitzung bittet Sie der Vorsitzende, heute das Protokoll zu führen. Sie antworten: Nein, also wissen Sie, das stinkt mir einfach, hier den einzigen Protokollanten zu ma­chen, nur weil ich die einzige Frau bin in dieser Runde.
6 Ein Bekannter bittet Sie um eine Verabredung. Sie sind schon einmal mit ihm aus gewesen und haben keinerlei Interesse, sich wieder mit ihm zu verabreden. Sie sagen: Oh, also diese Woche bin ich unheimlich beschäftigt. Ich glaube wirklich, dass ich also Samstag keine Zeit habe, mich mit Ihnen zu treffen.
7 Eltern rufen bei ihrer verheirateten Tochter an und bitten sie um einen Besuch. Als die Tochter höflich ablehnt, sagen die Eltern: Du bist doch nie verfügbar, wenn man Dich braucht. Alles dreht sich bei Dir nur um Dein eigenes Interesse.
8 Ein Arbeitgeber schickt ein Rundschreiben durch die Firma, dass für dienstliche Ferngesprä­che ab jetzt eine Erlaubnis einzuholen sei. Ein Angestellter antwortet darauf: Sie greifen damit in meine berufliche Ent­scheidungsfähigkeit und Entscheidungsfrei­heit ein; ich empfinde das als eine Beleidi­gung.
9 Gemeinsame Ferienpläne werden ganz ab­rupt von Ihrem Freund geändert und Ihnen am Telefon mitgeteilt. Sie antworten: Hoppla, das ist wirklich eine Überraschung für mich. Ich möchte Dich gern später wieder anrufen, nachdem ich mir das alles durch den Kopf habe gehen lassen.
10 Ihr Mann möchte im Fernsehen Fußball sehen. Zur gleichen Zeit läuft ein Stück, das Sie gerne sehen möchten. Sie sagen: Ja, hm, Schatz, dann schalt ruhig ein und schau Dir das Fußballspiel an. Vielleicht kann ich inzwischen ein bisschen bügeln.
11 Ihr Zehnjähriger hat Sie dreimal mit irgend etwas Nebensächlichem unterbrochen, während Sie telefonieren. Sie haben jedes Mal freundlich gebeten, nicht zu unterbrechen. Jetzt kommt er wieder an. Sie sagen: Ich kann Dir jetzt nicht zuhören und gleich­zeitig telefonieren. Ich habe noch ein paar Minuten hier zu tun, dann können wir uns unterhalten.
12 Sie sind die einzige Frau in einer Gruppe von Männern und werden gebeten, das Protokoll die­ser Sitzung zu schreiben. Sie antworten: Ich bin damit einverstanden, anteilig das Protokoll zu übernehmen und will es für heute tun. Bei den nächsten Sitzungen sollten wir diese Aufgabe umschichtig über­nehmen.
13 Sie unterrichten in einem Lehrerteam. Ein Kollege drückt sich ständig davor, seine Unter­richtsaufgabe zu übernehmen, und fragt Sie heute wieder, ob Sie seinen Anteil nicht übernehmen könnten. Sie sagen: Ja, na, hm, ich denke, ja, es geht in Ord­nung, obwohl ich fürchterliche Kopfschmer­zen habe.
14 Sie haben sich vorgenommen, sich am Nachmittag zwischen vier und fünf eine Stunde für sich selbst zu nehmen und Dinge zu tun, die sie gerne möchten. Jemand ruft an und bittet Sie, Sie um diese Zeit besuchen zu dürfen. Sie sagen: Ah, hm, okay, Sie können dann, eh, kom­men. Um vier Uhr, ja? Sind Sie sicher, dass der Zeitpunkt auch für Sie günstig ist?
15 Ihr Partner hat Ihre äußere Erscheinung in Gegenwart von Freunden heftig kritisiert. Sie sagen: Es verletzt mich, wenn Du mein Äußeres in Gegenwart anderer Leute kritisierst. Wenn Du mir in der Beziehung etwas sagen möchtest, dann tu das doch bitte, bevor wir von zu Hause weggehen.
16 Eine Freundin leiht sich des Öfteren kleine Geldbeträge von Ihnen und gibt sie nicht zurück, wenn man sie nicht danach fragt. Heute bittet sie wieder um einen kleinen Geldbetrag, den Sie aber nicht gerne geben möchten. Sie sagen: Ich habe heute nur soviel bei mir, dass ich mein eigenes Mittagessen bezahlen kann.
17 Eine Frau wird zu einem Vorstellungsge­spräch gebeten. Im Verlauf der Unterhaltung schaut der Personalchef sie abschätzend an und sagt zweideutig: Also, Sie sehen wirklich aus, als hätten Sie alle Qualifikationen für diese Stelle. Sie antwortet: Ich bin sicher, dass ich die beruflichen Fä­higkeiten habe, die für diese Stelle erforder­lich sind.
18 Sie sind gerade auf dem Weg zum Fotokopie­rer, als ein Kollege, der Ihnen immer wieder Ko­pierarbeit für sich aufbürdet, Ihnen begegnet und fragt, wohin Sie gehen. Sie antworten: Ich gehe zum Pokalturnier. Oder wonach sehe ich sonst aus?
19 Jede Nacht knallt Ihre Mitbewohnerin jedes Mal mit der Badezimmer- und der Schlafzim­mertür und hält Sie damit entweder wach oder weckt Sie sogar aus dem Schlaf, was Sie sehr stört: Sie sagen: Bitte knall nicht so mit den Türen; es ist ja furchtbar störend so mitten in der Nacht. Ich wach davon auf und kann nicht wieder ein­schlafen.
20 Ihre Zimmernachbarin möchte spätabends noch ausgehen um etwas zu essen. Sie sind zu müde zum Ausgehen und sagen: Mir ist eigentlich gar nicht nach Ausgehen zumute. Ich bin zu müde; aber ich gehe mit und schau Dir beim Essen zu.

4. Einstiegsübungen zum Alleine-Üben

Nr.

Situation

Instruktionen

Übende

1.

Sagen Sie Ihrem Gruppennachbarn so freundlich wie möglich „Guten Tag“, sehen Sie ihn dabei an und nicken Sie dabei etwas mit dem Kopf. Üben Sie das jetzt häufig mit anderen Bekannten (Nachbarn, Kollegen, im Lift usw.)

Lernen Sie zu erkennen, wie Sie mit einfachen Mitteln das Verhalten Ihrer Umwelt zu Ihnen positiv steuern können. Sie senden freundliches Verhalten aus und empfangen freundliche Reaktionen. Die positiven Folgen Ihres Handelns verbessern Ihr Selbstwertgefühl.

U, S,

2.

Sie üben, Menschen Ihrer Umgebung besser wahrzunehmen. Sie beobachten Menschen, an denen Sie bisher achtlos vorbeigegangen sind. Sie achten auf Einzelheiten, etwa Alter, Haarfarbe, Augenfarbe, Gesichtszüge, Kleidung usw. und versuchen sich einen Eindruck über mögliche Interessen und Tätigkeiten zu machen. Schauen Sie die Personen beiläufig an, lassen Sie den Blick immer wieder schweifen.

Die Regel zur Dauer des angemessenen Blickkontaktes ist, noch einmal innerlich sich „einundzwanzig“ vorzusagen, das ist etwas eine Sekunde, die Sie länger schauen sollten, bevor Sie wieder andere Dinge mustern. Ziel der Übung ist, ein Gefühl zu bekommen, wer um Sie lebt. Machen Sie solche Wahrnehmungsübungen jetzt regelmäßig. Später wird die Übung zu einer „Interviewübung“ ausgebaut.

S

3.

Sie üben, sympathische Personen anzulächeln. Sie versuchen, Ihnen sympathisch erscheinende Passanten so heiter und fröhlich anzuschauen, dass diese zurück lächeln oder Sie zumindest beachten. Sie können diese Übung zuerst mit Gruppenmitgliedern, dann mit flüchtigen Bekannten und erst dann mit unbekannten durchführen.

 

S, U

4.

Sie setzen sich in Lokalen, Cafés, an Haltestellen, in Verkehrsmitteln, im Park … zu anderen Menschen (ohne von sich aus ein Gespräch anzufangen). Suchen Sie jede Gelegenheit wahrzunehmen, wo Sie andere allein und unbeschäftigt sehen. Sie grüßen sehr freundlich und fragen beiläufig „Darf ich mich zu Ihnen setzten“,  nehmen entspannt Platz, schauen sich um und beachten den anderen nur so nebenbei. Sie lassen die Gegenwart des anderen einfach auf sich wirken. Sie bleiben so 10 Minuten sitzen und verabschieden sich freundlich.

 

S, U,

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